Noch nie wurde weltweit so viel Mineraldünger verwendet wie heute. Dabei ist gerade der Mineraldünger das Betriebsmittel mit der wohl geringsten Nachhaltigkeit in der Landwirtschaft. Stickstoffdünger zum Beispiel, der ca. 75% des weltweiten Mineraldüngerverbrauchs ausmacht, benötigt für seine Herstellung große Mengen an fossilem Erdöl oder Erdgas. Ist er dann als Dünger ausgebracht, verbraucht er weitere Ressourcen: Bodenhumusgehalte werden abgebaut, Böden versauern, und nicht genutzte Überschüsse belasten Klima und Umwelt in erschreckendem Ausmaß. „Agriculture in Transition?“ Angesichts des vielfältigen Ressourcenverbrauchs dieses Düngers – Tendenz steigend – ist ein Übergang zu nachhaltiger Produktion nicht erkennbar.
Dabei sind die ökonomischen Signale eindeutig: Dünger hat sich überproportional verteuert und ist für viele Betriebe kaum noch zu bezahlen. Das betrifft ganz besonders die Kleinbauern in den Tropen und Subtropen. Infolge hoher Transaktionskosten, wie z.B. Transportkosten, sind die Preise für Dünger in abgelegenen Dörfern 2,5- bis 6-mal so hoch, wie im Hafen, wo er angeliefert wird. Hinzu kommt, dass infolge sinkender Bodenfruchtbarkeit die ertragssteigernde Wirkung von Mineraldünger zurückgeht. So ist in vielen Betrieben der Mineraldünger – wenn überhaupt – nur noch in kleinsten Mengen rentabel.
Seit vielen Jahren wird versucht, die fehlende Wirtschaftlichkeit von Mineraldünger durch Subventionen auszugleichen, um wenigstens kurzfristig Ernährung sichern zu können. Enorme Gelder fließen in diesen Bereich, öffentliche Mittel, die nur eine negative Verzinsung erbringen und für andere Aufgaben landwirtschaftlicher Entwicklung fehlen.
Natürlich braucht die Landwirtschaft Nährstoffe von außen, um Entzüge zu kompensieren. Die Frage ist aber, wie Nährstoffe so zugeführt werden können, dass negative Wirkungen auf Boden und Umwelt vermieden werden und die gedüngten Nährstoffe dem System erhalten bleiben können.
Dies ist nur möglich, indem jede Form von Düngung in den Kontext einer umfassenden Bodenfruchtbarkeitsstrategie gestellt wird. Zentrale Bedeutung haben dabei Technologien, die für den Aufbau von Bodenhumus besonders gut geeignet sind, also eine hohe Humusreproduktionsleistung haben. Dazu gehört, dass Menge und Qualität organischer Dünger erhöht und Nährstoffkreisläufe gestärkt werden. Die Weiterentwicklung von Kompostierungsverfahren für pflanzliche und tierische Abfälle, sowie für menschliche Fäkalien und Hausmüll sind dabei von zentraler Bedeutung. Weitere Maßnahmen sind Agroforstwirtschaft und Gründüngung. Bei den Mineraldüngern selbst geht es um Innovationsentwicklung bei Herstellung und Anwendung von Düngern. Wichtige Punkte in diesem Zusammenhang sind zum Beispiel:
- vom synthetischen auf den biologischen Stickstoff umzusteigen
- stärker mit teilaufgeschlossenen Rohphosphaten zu arbeiten und die Dominanz der auf Schwefelsäure basierenden Superphosphatproduktion zu brechen,
- physiologisch versauernde Mineraldünger zu vermeiden und
- der Kalk-Düngung ein größeres Gewicht einzuräumen.
Aufgabe jeglicher Agrarpolitik muss werden, (1) die Förderung des synthetischen Stickstoffs einzustellen, (2) nationale Strategien zu einer „Infrastrukturentwicklung von Bodenfruchtbarkeit“ zu entwickeln, (3) Agrarforschungsschwerpunkte aufzubauen, die diese Neu-Orientierung unterstützen und (4) Übergangsszenarien zu entwickeln, die eine schrittweise Umstellung ohne Verlust von Ernährungssicherheit ermöglichen. Um Mineraldünger vom kurzfristigen Verbrauchsgut zu einer langfristigen Investition in Bodenfruchtbarkeit zu machen, bedarf es einer vollkommenen Neuorientierung bei der Produktion, dem Handel und der Verwendung von Düngern.
Johannes Kotschi ist seit 25 Jahren als unabhängiger Berater für nationale, internationale und zivilgesellschaftliche Entwicklungsorganisationen. Zuvor hat er mehrere Jahre als Entwicklungshelfer
im südlichen Afrika gearbeitet.